Antisemitismus im Rap.
von Fabian Blume (Kommentare: 0)
Gibt es Antisemitismus im deutschsprachigen Rap?
Das seit einigen Wochen in den Medien diskutierte Thema „Kollegah und der Antisemitismus“, bzw. die Frage nach „Antisemitismus im deutschsprachigen Hip Hop“, geht an uns natürlich auch nicht spurlos vorbei.
Um eins ganz klar vorweg zu nehmen: Wir werden nicht für alle Künstler*innen, die im Genre Rap unterwegs sind, die Verantwortung übernehmen. Das wäre einfach Quatsch.
Die Frage, ob es im deutschsprachigen Rap Antisemitismus gibt, ist leicht mit „Ja“ zu beantworten.
Warum? Weil Hip Hop und insbesondere Rapmusik seit jeher ein Spiegel der Gesellschaft sind und in dieser Gesellschaft gibt es leider Hass auf Menschen. Hass auf jüdische Menschen. Hass auf jegliche Gruppen von Menschen, die von anderen Gruppen nicht als „normal“ angesehen werden. Das ist irrational. Es ist dumm. Es ist aber die Realität.
Wie wir uns als Partei zu Antisemitismus positionieren, können wir in Kurzform wie folgt darlegen:
„Die Urbane. Eine Hiphop Partei spricht sich gegen jegliche Form von Diskriminierung gegenüber Jüdinnen*Juden aus und sieht sich in der Verantwortung, aktiv dagegen vorzugehen und aufzuklären. Dies betrifft die Reproduktion antisemitischer Ressentiments im Deckmantel einer verkürzenden bzw. vereinfachten Kritik an Israel (dem israelischen Staat) genauso wie die Reproduktion und Verbreitung klassischer antisemitischer Klischees.“
Als jahrzehntelang Aktiver im Rap und Hip Hop Game, sehe ich das Thema Punchlines zwar etwas differenzierter, bspw. die Zeile über „Definierte Körper“ von Farid Bang, die auf einmal im Mittelpunkt steht. Ich sehe hier schon, dass es sich um einen Vergleich im Rap-Kontext handelt. Allerdings: Ob es geschmacklos oder cool ist, sollte diskutiert werden dürfen. Den Vorwurf der Verhöhnung der Opfer des Holocausts muss sich der Autor ebenso gefallen lassen müssen. Ein Stilmittel ist ja kein rechtsfreier Raum.
Dennoch verstehe ich, warum die besagte Zeile nicht von allen sofort als antisemitischer Narrativ gesehen wird. Verstehen heißt in diesem Fall nicht automatisch einverstanden sein! Der Kontext ist wichtig, denn so kann schnell identifiziert werden, ob es sich um reine Provokation oder direkte Verachtung handelt.
Wenn wir uns aber bspw. Battles der kanadischen Battle-Rap-Liga „King of the Dot“ anschauen, gibt es legendäre Battles zwischen bspw. muslimischen und jüdischen MCs, die kein einziges Stereotyp oder Klischee auslassen, um sich verbal zu zerfetzen. Das muss nicht allen gefallen, es ist aber Battlerap. Battlerap überschreitet Grenzen. Ob das sein muss, ist aber allerdings eine andere Grundsatzdiskussion.
Was aber als völlig indiskutabel verurteilt werden muss, sind die antisemitischen Klischees mit denen Kollegah bspw. in Songs/Videos wie „Apokalypse“ spielt und was zwischen den Zeilen abseits seiner Musik in Interviews oder Beiträgen oft sehr tendenziös rüberkommt. Das gilt selbstverständlich für alle Künstler*innen mit ähnlichen Denkweisen genauso. Hier entsteht ein Kontext, in dem auch die besagte Zeile von Farid Bang die Ebene einer rein geschmacklosen Provokation verlässt.
Lasst uns hier doch mal erwachsen und nüchtern bei den Fakten bleiben: Natürlich ist Kollegah belesen und intelligent genug, um zu wissen, dass er hier klar mit antisemitischen Narrativen kokettiert. Dann sollte er sich dafür auch gerade machen.
Kommen wir aber zurück zum Spiegel der Gesellschaft: In einem Land, in dem „Israelkritik/-kritisch“ als einziges zusammengesetztes Wort mit „Land und Kritik/kritisch“ im Duden steht, wundert sich jemand über strukturellen Antisemitismus? Zuletzt hat RaM Moderator und Gründer, der Berliner Ben Salomo in der Morgenpost seinen Rückzug aus der Rapszene bekannt gegeben. Einer der Gründe - der wachsende und hingenommene Antisemitismus. Ist das die Situation, in die wir uns hineinmanövrieren? Sind wir nicht in der Lage, als Gesellschaft ein Signal zu setzen, dass das der falsche Weg ist?
Wer keinen Antisemitismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit oder sonstige menschenverachtende Scheisse im Rap haben möchte, muss dafür sorgen, dass es auch keinen Platz in der Gesellschaft hat. Die Verantwortung müssen wir als Gesellschaft übernehmen und wir dürfen nicht zulassen, dass Verachtung und Hass die Oberhand gewinnen.
[Update 16.04.2018]
Cheers,
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