Decolonize December: Antonio de Montesinos

#23 & 24 Decolonize December

Am 23. Dezember 1511 erließ der spanische König Ferdinand auf Hispaniola einen Befehl, der allen autorisierten Personen erlaubte gegen Indigene Krieg zu führen, sie gefangen zu nehmen und sie zu Arbeit zu zwingen und sie innerhalb der „Indies“ zu verkaufen.

Am Tag nach diesem Erlass, am 24. Dezember 1511, widersprach der dominikanische Mönch Antonio de Montesinos in seiner Weihnachts-Predigt auf Hispaniola diesem Erlass und verurteilte nicht nur die Praxis der Versklavung, sondern stellte die Eroberung und Kolonisierung insgesamt in Frage – für die spanische Krone eine unerhörte Rede, die die Debatten, die es bereits rund um die Legitimität der Landnahme und der Versklavung der Indigenen Bevölkerungen gab, aber weiter befeuerte.
Montesinos ist aus dekolonialer Sicht trotzdem kein Superheld, als Mönch und Prediger hat er trotzdem den Anspruch, die indigene Bevölkerung zu missionieren und sieht sie im Kontext seiner religiösen Überzeugungen. Aber diese Aktion der Dominikanischen Mönche (sie hatten alle zusammen den Text verfasst und er hat sozusagen in Vertretung für die dominikanische Kirche auf Hispaniola gesprochen) ist in dieser Zeit politisch super antikolonial.

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte begann in der Weihnachtsnacht 1492, in der Nacht vom 24. Dezember auf den 25. Dezember.

Die Santa Maria, eins von 3 Schiffen, mit denen Kolumbus seine erste Reise angetreten hatte, lief auf Grund vor der Insel, auf der heute Haiti und die dominikanische Republik liegen. Weil das Schiff nicht wieder flott gemacht werden konnte, weil die Pinta, das zweite Schiff, sich abgesetzt hatte und weil die Nina, mit der sie weiterreisen würden, nicht die Besatzung der Santa Maria aufnehmen konnte, erklärte Kolumbus, dass aus den Trümmern der Santa Maria eine spanische Siedlung auf der Insel errichtet werden solle, anläßlich der Weihnachtsdatums „La Navidad“ genannt. Sie war die erste europäische koloniale Siedlung in den Amerikas.
1 Jahr später, auf der zweiten Reise, kehrte Kolumbus nach Hispaniola zurück und fand die Siedlung zerstört und die Mannschaft tot vor. Die 40 Leute hatten auf der Insel geraubt, gemordet und vergewaltigt und wurden daraufhin von den lokalen Taino getötet.

Die Kolonisierung der Amerikas bzw. der Karibik durch die Spanische Krone und die Versklavung und Vernichtung der indigenen Bevölkerungen wird aus eurozentrischer Sicht heute immer noch als Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte erzählt – und als Erfolgsgeschichte!
Es hat zahllose Rebellionen gegen diese Praxis gegeben. Überall gab es Widerstand gegen die Überfälle, den Menschenraub und die Beutezüge und die spanische Krone benutzte als Legitimation für Gewalt immer wieder die Weigerung Indigener, sich dem heiligen katholischen Glauben zu unterwerfen.
Das Thema Reparationen ist in der populären Berichterstattung und in den alltäglichen Medien nicht präsent und vielen erscheinen Reparationen für koloniale Aneignung von Land und Bodenschätzen, sonstigen Ressourcen und Arbeitskraft in Form von Versklavung und die Gewaltverbrechen, die im Zuge dessen passierten, unmöglich und unbezifferbar.

An der Vehemenz, mit der Reparationen abgelehnt werden oder auch an der Herablassung, mit der Forderungen nach Reparationen begegnet wird, als wäre es das lächerlichste von der Welt, auch nur daran zu denken, ist ablesbar, wie absolut elementar die Lebensumstände in weißen Mehrheitsgesellschaften auf all dem basieren und aufbauen, was durch Kolonisierung und Versklavung, Ausbeutung und Vernichtung gerafft und geraubt, angeeignet und geklaut wurde.

Es werden alle möglichen juristischen Pseudo-Argumente vorgebracht, warum Kolonisierung und militärische Eroberung die „Phänomene jener Zeit“ gewesen seien, und warum sie deswegen auch mit den Massstäben der damaligen Gesetzgebung eingeordnet werden müssten.
Es sei unzulässig, heutige Massstäbe von Ethik, Moral, Gesetz und Recht anzuwenden.

Abgesehen, dass das so nicht stimmt, wird in der Literatur dazu wenig herausgearbeitet, dass die damaligen Gesetze, von denen da die Rede ist, keine universellen, globalen Gesetze waren, über die sich alle Menschen, Staaten, Bevölkerungsgruppen etc geeinigt hatten, sondern Gesetze, die in europäischen Staaten und Königreichen etabliert waren.

Was für eine eurozentrische Arroganz, diese Gesetze, die damals schon nur für einen winzigen Bruchteil der Weltbevölkerung angewendet wurden – und nicht mal diese Bevölkerungen waren demokratisch befragt worden, ob sie diesen Gesetzen überhaupt zustimmten – als juristische Grundlage für irgendetwas – egal was - herbeizuzitieren – da mochten sie Kolonisierung und Eroberung für noch so übliche Betätigungen jener Zeit befinden.

Die Weihnachtszeit soll eine Zeit der Besinnlichkeit sein. Eine Zeit der Nächstenliebe. Dass dieses Datum gleichzeitig der Startschuss der grausamen, vernichtenden spanischen Kolonisierung war und dass christliche Prinzipien missbraucht wurden, um sich Vorteile zu verschaffen und Vernichtung zu rechtfertigen, muss bei individuellen Weihnachtsfeierlichkeiten nicht im Zentrum stehen. Aber wenn es eine Zeit der Besinnung und der Nächstenliebe ist, dann ist gerade Weihnachten der beste Anlass, diese Geschichten auch zu erzählen und daran zu erinnern.

Quelle: "lawful conquest?" European Colonial Law and Appropriation Practices in Northeastern South America, Trinidad, and Tobago, 1498–1817

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