Das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinte*zze und Rom*nja: Eine rassistische Geschichte davon, wie Erinnerung, Würde, und Schmerz der Bequemlichkeit untergeordnet werden

Ein Blogbeitrag von Roxanna-Lorraine Witt

Dieses eine Bild von den Black-Lives-Matters Demonstrationen, bei denen wütende Demonstranten die Polizeistation in Flammen gesetzt haben, in der wenige Wochen zuvor noch jene Polizisten saßen, die später George Floyd ermordeten – es ging um die Welt. Die brennenden Gebäude stehen seitdem wie kein zweites Symbol für die Kontroverse, die seitdem geführt wird.
Sich gegen Unterdrückung wehren? Ok. Aber doch bitte „zivilisiert“. Gewalt erzeuge doch nur wieder Gegengewalt, blabla.

Für mich waren die brennenden Häuser nie eine Debatte. Von Minute eins an habe ich verstanden, wofür sie stehen, denn in mir brennt es ebenfalls. In den letzten Monaten habe ich meine Wochenenden und Nachmittage auf BLM-Demos verbracht, habe  Videos und Informationen geteilt und Menschen zugehört bis ich selbst zu der geworden bin, der zugehört werden musste, als die Nachricht von der Zerstörung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinte*zze und Rom*nja uns zum Protest auf die Straße gebracht hat.


Wer weiß, wie es riecht, wenn Menschen verbrannt werden?

Meine Familie weiß es. Die Familien meiner Freunde wissen es.
Bis heute plagen Alpträume die traumatisierten Überlebenden der Massenvernichtungen im Dritten Reich.
Die Menschen, die den Flammen der Öfen in Auschwitz entkommen sind verweilen noch unter uns – wir pflegen sie und hören ihre Schreie in der Nacht. Für uns, für die Sinte*zze und Rom*nja, ist das unsere Lebensrealität seit unserer Geburt. Das Trauma, der Schmerz, die Gewalt, die unseren Vorfahren angetan wurde, sie prägen uns und unseren Alltag jede Minute unseres Lebens. Ausnahmslos alle Rom*nja und Sinte*zze, die heute existieren sind Nachkommen von Menschen, die den Holocaust/Porajmos überlebt haben.


Ich bin 1993 geboren. Instagram, Facebook, Netflix gehören zu meinem Alltag wie zu dem aller anderen meiner Generation. Wenn ich mit Leuten in meinem Alter an einem Tisch sitze, erinnert nicht wirklich viel an die Dinge, die unsere Realitäten so grundlegend unterscheiden. Wir kaufen in den selben Läden ein, wir sind mit den gleichen Serien aufgewachsen; meine Freund*innen und ich unterhalten uns über Feminismus, Bücher und Deutschrap. Wir unterhalten uns eher seltener darüber, dass die Erzählungen ihrer Großeltern in Kindertagen eher an die Märchen von Grimm anschlossen und die Erzählungen meiner Großeltern KZ-Nummern, Hungern im Waldversteck und Menschenexperimente an Familienmitgliedern und Freunden beinhalteten. Wahrscheinlich ist das Teil des Problems.

Viele haben fälschlicherweise die Vorstellung, dass mit der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten 1945 auch die Verfolgung der Gruppen geendet habe.
In der Schule habe ich zumindest diesen Eindruck oft vermittelt bekommen, denn die Geschichtsbücher schreiben es so. Damals war Hitler, aber heute leben wir in einer Demokratie. So einfach ist es jedoch nicht.


Die Geschichte von Sinte*zze und Rom*nja wird, wenn überhaupt, nur am Rand der Geschichtsschreibung erwähnt. Die Realitäten von marginalisierten Gruppen nehmen weder im Alltag, noch in den Bildungseinrichtungen eine Rolle ein, die groß genug wäre, damit sie spuren in den Köpfen der Menschen hinterließen.  Das Resultat ist eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen solche Gruppen Alltag ist, ohne, dass jemand den Euphemismus „Alltagsrassismus“ für die traumatisierende Gewalterfahrung dieser Menschen, die letztendlich nicht wenige in den Tod treibt, kritisch hinterfragen würde.

Auf  einer Doppelseite in meinem Schulbuch standen damals Informationen über die Opfergruppen des Nationalsozialismus: „6 Millionen Juden“ (kein gendern, Jüd*innen hatten auch keinen Platz in der Geschichtsschreibung), das waren die Opfer, die Verbrechen an ihnen waren das, worüber, wenn überhaupt, gesprochen wurde – und selbst darüber nicht genug.

„Und ein paar andere“ hätte als Nachsatz den gleichen Zweck erfüllt für das spärliche Halbwissen darüber, dass 80-90% der autochthonen Sinte*zze und Rom*nja ausgelöscht worden sind. Meistens wurde für die Vermittlung eben jenen Wissens sogar noch der rassistische Begriff genutzt, der den KZ-Insassen in die Haut tätowiert wurde. Ich habe überhaupt deshalb erst später verstanden, dass dort in den Büchern über die Ereignisse gesprochen wurde, aus denen die Alpträume meiner Großeltern gewebt waren.

„Z*geuner“ ist ein Begriff, den wir nicht kannten. Wir haben uns so nicht bezeichnet, deshalb wurde er uns nicht beigebracht, genauso wenig, wie all die Vorurteile und Stereotype, die damit in Verbindung stehen. All diese Dinge, die sich darum drehen, dass andere meinen zu wissen, wer wir sind oder wie wir leben, habe ich immer nur von anderen erfahren.
Meine Familie sind Sinti. Es gibt einen Ausdruck bei uns, der besagt, dass wir uns in unserer Identität immer treu bleiben und impliziert, dass wir genau wissen, wer wir sind und wer wir nicht sind: „Mer ham Sinte, mer atschas Sinte“ . Das Z-Wort bezeichnet hingegen etwas, wozu wir historisch gemacht worden sind. Es bezeichnet das Bild, das die Dominanzgesellschaft bis heute für uns in ihren Köpfen behalten hat, ein Bild, das geprägt ist von Stereotypen und Bildern, die dazu genutzt wurden, uns zu Untermenschen zu erklären und unsere Vernichtung zu rechtfertigen. Ungleichheit ist nichts, was man logisch begründen kann. Man muss Menschen künstlich unterteilen, künstliche Kategorien erschaffen, um ihnen das Mensch-Sein absprechen zu können.

Dieses Vorgehen hat nach dem Krieg nicht aufgehört. Die Überlebenden standen vor dem Nichts. Wer vorher vielleicht noch gutbürgerlich gelebt hatte, war nun nicht nur obdach- und mittellos durch die Enteignung vor dem Krieg, sondern auch noch schwer traumatisiert. Richter und Amtsinhaber blieben nach dem Krieg in ihren Positionen, die Ideologie des Nationalsozialismus von Menschengruppen, die als lebensunwertes Leben und als Schmutz betrachtet wurde, in den Köpfen der Bevölkerung.

Während heute meine Freunde aus gutbürgerlichen Umfeld mir davon erzählen, wie sie in langen Therapiesitzungen die Trennung ihrer Eltern verarbeiten und von der Krankenkasse in die Kur geschickt werden, um sich präventiv vor einem Burn-Out in ihrem 9-5 Jobs zu schützen, denke ich daran, dass es für die Überlebenden statt Therapie noch mehr Gewalt und Ausgrenzung als Antwort auf ihr Trauma gab.

Meine Mutter ist 1970 geboren. Sie hatte immer den Traum zu studieren und Bibliothekarin oder Buchhändlerin zu werden, denn Bücher waren ihr „save space“, wenn sie die Grausamkeit ihrer Realität nicht mehr ertragen konnte.

In meiner Familie gab es immer den Anspruch, dass alle Kinder zu Schule gehen sollten und möglichst viel Bildung erlangen, egal ob Mädchen oder Jungen. Das war ungewöhnlich, denn den Meisten der Überlebenden ist Schule als ein Ort der Vernichtung in Erinnerung geblieben. Nicht wenige von ihnen sind sogenannte „Child-Survivor“: Kinder, die die Vernichtung überlebt hatten. Oftmals indem sie sich während der Deportation ihrer Familien noch auf dem Weg von der Schule nach Hause befanden, um an einem verlassenen Ort zurückzukehren.

Wer nicht selbst Kind war, hat in der Regel die Erfahrung gemacht, dass Schule ein Ort ist, an dem Lehrer*innen sich zu Gehilfen des Todes wandelten und Kinder aus Roma- und Sinti-Familien von der Schulbank ins Konzentrationslager deportiert wurden. Schule ist im kollektiven Gedächtnis der Sinte*zze und Rom*nja ein Ort der Gefahr und Vernichtung.


Die Schulzeit meiner Mutter war von Grausamkeit geprägt.
Die Erfahrung ihrer Generation zeigt:
Man muss Menschen nicht unbedingt nach Auschwitz deportieren, um sie zu vernichten.
„Ihr Sinti braucht keine guten Noten“, sagte ihr einst eine Lehrerin, „ihr brecht eh die Schule ab, um zu heiraten.“, „dich hat man wohl vergessen, zu vergasen“ riefen die Kinder ihr hinterher. Zu ihren Geburtstagen durften sie nicht kommen, mit der „Z*geunerin“ befreundet sein ebenfalls nicht.

Als ein Lehrer sich auf die Füße meiner Mutter stellte und ihre Zehen zertrümmerte, weil sie es gewagt hatte, sich gegen rassistische Beleidigungen zu wehren, reichte es auch meiner Großmutter: Ein Direktor und zwei weitere Lehrkräfte mussten sie davon abhalten den Täter aus dem Fenster zu werfen. Meine Großmutter war zu der Zeit bereits schwer krank und durch ihr Asthma-Leiden kaum in der Lage mehrere Treppenstufen zu erklimmen. Der Rassismus, der ihre Familie und Freunde in die Flammen der Öfen des KZs gebracht hatte, entfachte in ihr genug Wut, um den Peiniger meiner Mutter an einer Hand aus dem dritten Stock zu halten und erst durch die Kraft von drei Personen davon abgehalten zu werden ihn fallen zu lassen. Würde sie heute leben, sie wäre ganz sicher auf der Seite der BLM-Demonstrant*innen und würde für die Träume meiner Mutter kämpfen. Doch sowohl sie als auch die Träume meiner Mutter sind längst gestorben.

Ich könnte ewig darüber erzählen, auf wie viele verschiedene Arten jede Generation von uns seit dem Ende des Krieges noch immer unter der selben Mentalität leidet, die für eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verantwortlich ist. Jede und jeder einzelne von uns kann hunderte Seiten damit füllen, wie die Grausamkeit jener Mentalitäten ihren Alltag geprägt hat und immer noch prägt.
Mal als kleine Nadelstiche – mal als Schlag in die Magengrube
.

 


Aber der Angriff auf das Mahnmal für die ermordeten Sinte*zze und Rom*nja steht bezeichnend für alles, was dem hinzuzufügen wäre. In Hanau kamen 9 Menschen durch diese Mentalität ums Leben, die Hälfte davon waren Rom*nja, das Portrait der deutschen Romni Mercedes Kierzpacz ging durch die Medien. Staatstragende Lippenbekenntnisse von Politiker*innen Hanau und Halle ernst zu nehmen wirken fast zynisch in Anbetracht dessen, dass nun eine Verkehrssenatorin Günther der Überzeugung ist, dass ein Mahnmal für ermordete Rom*nja und Sinte*zze doch ruhig mal kurz ein paar Bahntrassen weichen könne, so es denn sein müsse.

Als wäre Berlin eine Stadt, in der nicht bereits jeder Punkt durch den öffentlichen Nahverkehr ausreichend vernetzt wäre. Als wäre eine Stelle, direkt neben dem Brandenburger Tor, vor dem Tagungsgebäude unserer Abgeordneten; das kleine Fleck Erde, aus dem nichts anderes steht, als all die Mahnmäler, die genau dort zur Mahnung eben jener politischen Entscheidungsträger platziert wurden, nicht das Einzige, was jemals an genau diesem Ort seinen rechtmäßigen Platz hätte.

Als wäre die Bequemlichkeit der Berliner und ihrer Besucher*innen einmal häufiger Umsteigen in Kauf nehmen zu müssen das, was wirklich zählt, wenn die Entscheidung zwischen Bahnstrecke und Mahnmal gefällt wird.

Wir reden hier von der Deutschen Bahn, dem Nachfolgekonzern der Reichsbahn. Wir reden hier von einem Konzern, der auf dem Kapital des Unternehmens gegründet wurde, dass aus den Enteignungen gewonnen wurde, die dazu geführt haben, dass nicht wenige Überlebende vom KZ in der Obdachlosigkeit landeten.

Wir reden von dem Kapital, dass dadurch erwirtschaftet wurde, dass die todgeweihten Sinte*zze und Rom*nja, Juden und Jüdinnen ihre Fahrt mit der Bahn nach Auschwitz, Ravensbrück, Flossenbürg, Bergen-Belsen und all den anderen Vernichtungslagern selbst zahlen mussten. Kinder unter einer Altersgrenze fuhren umsonst.

Die Trassen, für deren Bau das Mahnmal in eine Baustelle verwandelt werden soll, werden von Steuergeldern bezahlt. Diese Steuergelder wiederum werden von der deutschen Bevölkerung gezahlt – also genauso von den Nachkommen jener, deren Angehörige, Familie oder gar sie selbst Opfer der Verbrechen waren, an denen sich die Reichsbahn mitschuldig machte.

Die Bahn und alle anderen Beteiligten selbst haben sich erstaunt gegeben, dass es überhaupt ein Problem sein könnte, das Mahnmal zu verlegen, es in eine Baustelle zu verwandeln, es gänzlich oder in Teilen zu zerstören.

„Dass das Reichstagsgebäude für die Dauer der Bauarbeiten nur eingeschränkt zugänglich gemacht, teilweise gesperrt, in Teilen abgebaut oder im Ganzen versetzt wird – das ist bisher noch nicht Gegenstand der Planungen. Es ist auch unvorstellbar, dass das jemand ernsthaft in Erwägung zieht. Aber warum ist es bei dem Mahnmal nicht genauso?“ fragt Uta Schleiermacher in der TAZ und spricht damit den Punkt an, der in mir brennende, schier unendliche Wut auslöst, denn ich und alle anderen kennen die Antwort.

Wir erkennen sie an den Reaktionen der Planenden, die erst nach Protesten überhaupt mit uns gesprochen haben.
Wir erkennen es an dem Unwillen der Verkehrsministerin Günthers, das Mahnmal zum Zwangspunkt der Verhandlungen nach den Reaktionen zu erklären, als wäre das symbolische Grab für die  Ermordeten in den Vernichtungslagern nichts weiter als ein Haufen Legosteine, die man nach Belieben aus dem Weg räumen könne.

Wir erkennen die Antwort, wenn wir sehen, wie in Deutschland Gebäudekomplexe, in denen vermehrt Rom*nja leben, komplett von der Außenwelt isoliert werden für Corona-Fälle wie in Göttingen und Berlin; wir erkennen es, wenn Deutschland zu den europaweiten Fällen von Misshandlung und zum

Tod der Rom*nja und Sinte*zze während der Krise schweigt.
Wir wissen die Antwort, wenn wir vor Gericht gegen die AfD scheitern, die auf ihren Plakaten fragt, ob es ein „Z*geunerproblem“ gäbe; wir kennen die Antwort, wenn Politiker die Forderung nach einem Ende sprachlicher Gewalt gegen uns, eine Abschaffung entmenschlichender Begriffe, die den Ausschwitzinsassen eintätowiert wurden, als Eingriff in „deutsche Leitkultur“ deklarieren:

Wir sind in euren Köpfen immer noch Untermenschen.

Untermenschen, die irgendwie ein Mahnmal in das Herz der Hauptstadt gepflanzt haben. Nichts weiter als ein leeres Versprechen, eine Baute unter vielen, die da ist, weil sie sein muss, die niemand derer, deren Verantwortung es nun ist, sie zu schützen,  jemals so wirklich dahaben wollte – das hat uns schon der lange Kampf um das Denkmal gezeigt. Über 60 Jahre hat es gedauert, einen langen Kampf um Anerkennung, um Gerechtigkeit, bis das Mahnmal 2012 eingeweiht wurde. Nur 8 Jahre konntet ihr seinen Anblick ertragen, bis ihr mit den Plänen seiner Zerstörung begonnen habt. Nicht einmal zynisch lassen sich die vorangegangenen Zeilen ertragen, denn sie sind der Eindruck, den wir in den letzten Wochen mit jeder neuen Meldung bekommen. Und es macht etwas mit uns.

In Auschwitz, da brennt es nicht mehr. Aber in uns brennt es weiter.
Und die Kohlen dieses Feuers sind der tägliche Hass und die tägliche Verachtung, die ihr uns entgegen bringt.


All die Lippenbekenntnisse, all die geschüttelten Hände, die Almosen, die unseren Organisationen zukommen: Sie wirken als nichts weiter als ein Dienst, um das schlechte Gewissen zu beruhigen und eine Pflicht, die sich aus europäischen Richtlinien und der Angst, in der Welt als Land der Nazis dazustehen, ergeben.

Gäbe es diesen Druck nicht von außen, wäre es nicht ein Ruf als Peiniger der Minderheiten, gegen den dieses Land historisch ankämpfen muss, wie schnell wäre die Mentalität wohl wieder vollumfänglich da, die niemals vollständig aus den Köpfen getilgt wurde? Für viele Menschen in diesem Land ist Auschwitz 2.0 nur eine Wahl entfernt.

Viele von uns denken längst an Flucht. Wir fühlen uns hier nicht sicher. Aber wohin sollen wir gehen?
Deutschland ist für die meisten der Sinte*zze und Rom*nja in Deutschland das einzige Zuhause, dass sie kennen.

Welches Zeichen wird es setzen in einer Welt, in der rechte Ideologien jeden Tag zunehmen, in der nationalistische Tendenzen überall wieder zunehmen, wenn das Land, in dem unsere Vernichtung begann, das Mahnmal, das Versprechen, dass Auschwitz nie wieder sei, zerstört?

Wo soll es für uns noch sicher sein, wenn wir nicht einmal hier in Sicherheit leben können, wenn nicht einmal hier im Land mit der größten historischen Verantwortung uns gegenüber, das Versprechen vom Schutz, vom „Nie wieder!“ Gültigkeit behält?

Ich bin verzweifelt und wütend, wenn ich darüber nachdenke.
Das hier ist auch mein Zuhause. Wir haben dieses Land, diese Gesellschaft mit aufgebaut. Ich will nirgendwo anders hin.

Ich will hier in Sicherheit leben, ich will Kinder in diese Welt setzen ohne Angst haben zu müssen, dass sie gepeinigt, benachteiligt, vertrieben, misshandelt oder mit seelischen und physischen Grausamkeiten so lange zermürbt werden, bis sie sich selbst vernichten oder ein rechter Terrorist sie im Café erschießt. Ich will eine Gesellschaft, in der die Stimmen aller Menschen gleichwertig und gleichberechtigt gehört werden und in der meine Stimme, die Stimmen meiner Familie und meiner Freunde nicht weniger zählen, unsere Bedürfnisse nicht als minderwertig deklariert werden nur, weil wir Rom*nja oder Sinte*zze sind, oder jüdisch, Schwarz, disabled, queer, was auch immer.

Ich will eine Gesellschaft, in der die Freiheit und die Würde des Anderen den gleichen Stellenwert einnimmt, wie meine eigene. Und ich will, dass meine Freiheit, meine Würde, mein Beitrag in dieser Gesellschaft einen Platz hat, der nicht verhandelbar ist.




In einer Welt, in der es keinen Platz gibt, wohin es sich zu fliehen lohnt, gibt es nur zwei Optionen:


Resignation oder Widerstand.


Meine Großmutter hat nicht minutenlang in jenem Keller ihren Atem angehalten, als die Einheiten der Gestapo das Haus ihrer Nachbarn nach uns durchsuchten, damit ich heute resigniere.

Meine Familie hat nicht in deutschen Wäldern gehungert und gedurstet, um zu überleben, damit ich heute mit der Erinnerung an sie untergehe.

Meine Mutter hat nicht die Schikanen, die Misshandlungen überstanden, damit ich heute aufgebe.

Die Menschen, für die dieses Mahnmal errichtet wurde, haben nicht den sicherem Tod getrotzt, damit wir zulassen, dass unsere Würde, ihr Andenken, zu einer Baugrube wird;

damit die Menschen, an deren Handgelenken Uhren glänzen, die aus dem Gold geschmiedet wurden, dass den Opfern des Holocausts nicht selten genug aus den Ohren gerissen, aus dem Kiefer gezogen wurde, die mit dem Geld gekauft wurden, dass die zum Tode Verurteilten ihren Henkern zahlen mussten, weitere Profite auf Kosten unseres Leides scheffeln.

Genug ist genug.

Der jüdische Künstler, der das Mahnmal entworfen hat, Dani Karavan, hat angekündigt es mit seinem Körper vor der Vernichtung zu schützen.
Jede und jeder Einzelne von uns ist bereit das Gleiche zu tun.
Auf unserem Protest liefen mit uns Menschen aus allen Communities. Jüdische Gruppen, Schwarze Vertreter*innen, Menschen im Rollstuhl.
Wir wehren uns gemeinsam gegen die Ideologie, die unsere Leben, unsere Sicherheit, unsere Freiheit und die Orte unserer Erinnerung bedroht.

Der Schmerz, der Häuser in Brand setzt, er ist nicht neu.
Er ist das Resultat von Jahrhunderten, von Generationen von Unterdrückung der verschiedensten Gruppen.
Schwarze Menschen. Jüdische Menschen. Kurdische Gruppen. Sinte*zze und Rom*nja.
Schwarze, jüdische Sinti, queere Rom*nja; all die Menschen, die auf doppelte und dreifache Weise die menschenverachtende Ideologie jeden Tag zu spüren bekommen, welche all jene Menschen, für die die Mahnmäler im Berliner Tiergarten stehen, vernichtet hat.


„Es ist allerdings nicht die Verantwortung der Sinti- und Roma-Selbstorganisationen, darauf hinzuweisen. Die Dominanzgesellschaft sollte sie den Kampf um einen Gedenkort und ein Mahnmal, das sich an alle richtet, daher auch nicht allein ausfechten lassen.“ schreibt Uta Schleiermacher in ihrem letzten Absatz des Kommentars.

Und sie hat Recht. Denn den Brand löschen ist die Verantwortung derer, die ihn verursacht haben.

Das Feuer in den Herzen der Unterdrückten – es leuchtet hell von den Bildern der Proteste. Es ist an der Zeit es zu löschen, bevor es uns allen die Luft zum atmen raubt.

Fangt an.


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