Offener Brief ab Jobcenter/Caritas/Deutsche Post Freiburg

Struktureller Rassismus in der Freiburger Caritas – wir fordern eine offizielle Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung

An:

Jobcenter Freiburg – Geschäftsführer Alexander Merk - Lehener Str. 77, 79106 Freiburg im Breisgau

Caritas Freiburg – Pressesprecherin Nora Kelm – Immentalstr. 12, 79104 Freiburg

Deutsche Post Freiburg – Geschäftsführung/Leitung - Habsburgerstrasse 105, 79104 Freiburg im Breisgau

Folgendes möchten wir öffentlich machen:

Michael Z. war eingeladen worden zum 24. August 2020, anlässlich seiner aktuellen Arbeitslosigkeit, zu einem Gespräch über mögliche Einsatzmöglichkeiten. Die Einladung kam über das Jobcenter Freiburg und das Gespräch wurde durchgeführt bei der Caritas Freiburg durch einen ehrenamtlichen Berater der Caritas.

Im Laufe des Gesprächs wurde Michael Z. eine mögliche Beschäftigung als Fahrer bei der deutschen Post angeboten, unter der Bedingung, dass er nichts dagegen habe, während der Arbeit als N***** bezeichnet zu werden – in diesem Umfeld herrsche ein rauer Ton. Wenn ihn das nicht störe, könne er sofort anfangen.

Eine solche Aussage in einem solchen Gespräch ist rassistisch und verletzt die Würde. Daran gibt es nichts zu deuten oder zu interpretieren. Und: Nichts an diesem Jobangebot war fiktiv. Michael Z. ist als Schwarze Person hiermit dreifach diskriminiert:

a) Nicht nur zeigt sich ihm deutlich, dass es ganze Arbeitsfelder – und Umfelder gibt, in denen es gang und gäbe ist, dass Kolleg:innen sich in dieser herablassenden, rassistischen Weise an ihn wenden werden.
b) muss er sich in einer Situation zurechtfinden, in der ein Arbeitsvermittler, zu dem ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen können sollte - es offenbar selbstverständlicher findet, dass Schwarze Personen am Arbeitsplatz rassistisch behandelt werden, als seiner Verantwortung gerecht zu werden, die rassistischen Vorfälle, über die er anscheinend bestens Bescheid weiß, zur Anzeige zu bringen. Und
c) wird ihm ein konkretes Arbeitsangebot unterbreitet, dass er sofort wahrnehmen kann - um den Preis seiner Würde.

Michael Z. beschwerte sich über diese Formulierung und über diesen Umgang mit seiner Person und lehnte das Arbeitsangebot – natürlich – ab. Dies ist nicht das erste Mal, dass Michael Z. solche oder ähnliche Erfahrungen in Freiburg machte, sowohl in der Jobvermittlung, als auch in den Arbeitsumfeldern, in die er vermittelt wurde.

Seine Sachbearbeitung beim Jobcenter bescheinigt ihm in einem Bericht, „dass das Thema Rassismus für ihn ein schwieriges zu sein scheint“. In diesem Nebensatz offenbart sich die ganze maßlose Inkompetenz der Institution Jobcenter und es wundert nicht, dass die Jobcenter auch die Träger:innen, denen sie ihre Klient:innen anvertrauen, nicht danach auswählen, ob sie die grundlegende Kompetenz besitzen, alle Menschen mit Respekt und Würde zu behandeln.

Was eine grobe und fahrlässige Verletzung darstellt, ist nicht nur der Vorfall in der Arbeitsvermittlung selber, sondern die Tatsache, dass die Beschwerde durch Michael Z. nicht dazu führte, dass sich die involvierten Stellen und die zuständigen Verantwortlichen entschuldigten und Michael Z. eine Entschädigung anboten. Es wurde und wird bis heute versucht, den Vorfall unter den Rassismus-Teppich zu kehren, unter dem bereits soviel liegt, dass da nicht mehr viel drunter passt.

Wir stehen also zu 100% hinter Michael Z. und möchten ihn dabei unterstützen, zu bekommen, was ihm zusteht: eine würdevolle Behandlung, absolut gleichberechtigte Chancen der Teilnahme am Arbeitsmarkt und ein diskriminierungsfreies Umfeld. Außerdem fordern wir zusammen mit Michael Z. eine offizielle Entschuldigung in Form einer Pressemitteilung der beteiligten Institutionen (alles darunter ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr akzeptabel) und eine angemessene Entschädigungfür die erlittene Verletzung.

Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft engagieren, auf, hier mit uns zusammen ein Zeichen zu setzen und zu demonstrieren, dass diese anachronistischen Arbeitsweisen und Haltungen nicht nur unerwünscht sind, sondern geächtet werden.

Gerade deswegen finden wir es elementar wichtig, dass hier durch eine angemessene Entschädigungssumme auch an die Gesellschaft und ihre Institutionen signalisiert wird, dass wir nicht bereit sind, untätig zuzuschauen, wie sich Rassismus weiter normalisiert. Wir erwarten Ihre Stellungnahme bis zum 29. Januar 2021. Wir erwägen auch, Michael Z. bei juristischen Schritten gegen diese Ungleichbehandlung und Diskriminierung und Verletzung der persönlichen Würde zu unterstützen.

Unterzeichnet von:

Bundesvorstand Die Urbane. Eine HipHop Partei & 'das Aktionsbündnis Antira'

 

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