Bildung & Bildungsgerechtigkeit

Die Bereiche Bildung und Kultur müssen steuerlich völlig aus- und durchfinanziert werden. Anhand einer umfassenden Bedarfsanalyse für das bestmögliche Bildungssystem/Kulturwesen, muss beides kalkuliert werden und diese Mittel müssen als erste bereitgestellt werden.

Um eine Politik zu Bildung und Kultur zu entwerfen, ist es hilfreich, alles über Bord zu werfen, was wir bisher an Bildung kennen. Es kann nicht radikal genug an dieses Thema herangegangen werden. Es gibt zu Bildung und Bildungssystem und zu diesem ganzen Komplex Forschung, die sicher relevant ist und deswegen ist unser Entwurf zu Bildungspolitik ein Vorschlag. Ein Beitrag zu dem Diskurs, muss fortlaufend zusammengetragen werden aus verschiedenen Perspektiven auf Bildung und mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Positionen in dem System hier in Deutschland, aber auch anderswo. Das Schul- und Bildungswesen muss auf den Ebenen der bildungspolitischen Rahmenbedingungen, auf die räumliche Ausstattung und Gestaltung, sowie auf die Schulentwicklung samt der Personal-, Unterrichts- und Organisationsentwicklung komplett neu gedacht und organisiert werden.

Als gesellschaftliche Teilsysteme sind Bildungseinrichtungen und insbesondere Schulen an der Herstellung und/oder Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse und sozialer Ordnungen beteiligt. In Schulen findet die Vermittlung von Fachwissen auch die Vermittlung gesellschaftlicher Werte und Normen statt. Es geht immer darum, die nächste Generation so auszubilden und sie in die Lage zu versetzen, dass sie sich mit der gesellschaftlichen Komplexität auseinandersetzen und sie kritisch zu hinterfragen können bzw. dass sie in der Lage sind, gesellschaftliche Kontexte zu ver- oder neu zu entwerfen und zu gestalten.

Schule ist also eine Sozialisationsinstanz, d.h. in der Schule finden Persönlichkeitsentwicklung und Subjektivierungsprozesse statt. Die Schule spielt eine zentrale Rolle, denn durch die Schulpflicht müssen alle Heranwachsende die Schule besuchen und werden hier für alle anderen gesellschaftliche Subsysteme vorbereitet.

Zuerst muss überlegt werden, was denn die Bildungsziele sind, anhand derer wir Bildung und Bildungssysteme gestalten?

Wir sehen einen Kanon von 4 Säulen: 1) Bildung soll Leben und Überleben lehren. 2) Bildung soll Angebote machen, entlang derer Lernende ihre Position, ihre Persönlichkeit und Identität erforschen und entfalten können und 3) Bildung soll zu Partizipation, Gemeinschaft, Kommunikation und Kooperation befähigen. 4) Bildung soll Schüler:innen, Student:innen, Lernende befähigen, sich zu den generationenübergreifenden globalen Phänomenen ihrer Zeit und ihrer Vergangenheit ins Verhältnis zu setzen (Position, Positionierung, Identität, Identifikation, Macht & Privilegien) und dementsprechend informiert und mündig eine eigenständige Perspektive & eigenständige Positionen und Einstellungen zu entwickeln. Zum letzten Punkt müssen zwei Phänomene hervorgehoben werden:

Die Migrationsgesellschaft und die technologische Revolution

Wir leben in einer Migrationsgesellschaft - und zwar nicht deshalb, weil es Migrant:innen gibt, sondern weil Migration für das Menschsein wesentlich ist und diese aber aktuell durch Grenz- und Visasysteme reguliert und meist unterbunden wird. Deutschland war auch schon immer eine Migrationsgesellschaft. Vor allen Dingen war die Gesellschaft „von hier ausgehend“ schon vor der Staatsgründung auch eine Emigrations-Gesellschaft und über hunderte Jahre Teil der Verdrängung von Native Americans und First Nations, sowie kolonisierende Macht auf dem afrikanischen Kontinent, in China und im Pazifik. Die Rhetorik und Diskurse rund um Migration blenden das aus. Durch demografische Entwicklungen, sozio-ökonomische Wandlungsprozesse und verschiedene globale Migrationsbewegungen und nicht erst seit den jüngsten Fluchtbewegungen 2015, hat sich aber auch die Gesellschaft in Deutschland nachhaltig verändert und ist zunehmend divers. Selbstverständlichkeiten, Normalitätsvorstellungen, Selbstverständnisse und Routinen müssen hinterfragt und dynamisch entwickelt werden. Auch die schulische Realität ist u.a. von migrationsgesellschaftlichen Verhältnissen geprägt und diese Verhältnisse machen zunehmend Mängel in dieser schulischen Realität sichtbar. Es offenbart sich eklatante Bildungsungleichheit und Bildungsungerechtigkeit.

Im Gegensatz zum Ideal einer demokratischen und chancengleichen Schule, belegen empirische Studien, dass das deutsche Bildungssystem insbesondere migrationsgesellschaftliche Ungleichheit reproduziert und fördert. Trotz einer Verbesserung der Bildungserfolge und Bildungsteilhabe zeigt die Bildungsforschung, dass insbesondere Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsbürgerschaft und/oder ‚Migrationshintergrund‘, Kinder aus weniger privilegierten sozio-ökonomischen Verhältnissen und Kinder, die von der Gesellschaft behindert werden, in den Schulen immer noch deutlich geringere Bildungserfolge erreichen, also beispielsweise beim Zugang zur höheren Bildung weiterhin benachteiligt sind. Die Forschungslage belegt, dass das Postulat der Chancengleichheit noch längst nicht erreicht ist und vor allem migrationsbezogene Diskriminierungen derzeit noch vielfach im schulischen Alltag enthalten sind. Dabei führen Ungleichbehandlungen und Ausgrenzungen nicht nur zu ungleichen Bildungschancen und Zugängen, sondern behindern den Lernerfolg und können vor allem auch psychische Belastungen zur Folge haben. Das widerspricht dem Anspruch der demokratischen Bildungspolitik an Gleichbehandlung und dem Selbstverständnis der Schule, als Bildungsinstitution alle Kinder gleichermaßen zu bilden. Studien, EinzeluntersSchluchungen und Berichte zum Thema Diskriminierung an Schulen, wie der Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegen, dass Diskriminierungserfahrungen keine Einzelphänomene an Schulen in Deutschland sind, sondern weitverbreiteter Alltag.

Das deutsche Bildungssystem ist ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche weitgehend getrennt werden nach ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Es ist nichts dagegen vorzubringen, dass durch verschiedene körperliche und geistige Konditionen auch unterschiedliche Bedarfe entstehen für Lernen und Betreuen. Aber die Chance, die genau darin liegt, dies zu einer Aufgabe der gesamten Schule zu machen, sich gegenseitig - unter Anleitung und Aufsicht von geschulten, ausgebildeten Personal - bei diesen verschiedenen Bedarfen und Bedürfnissen abzuholen und zu begegnen, wird verpasst. Kinder, die eine Be_hinderung erfahren werden stigmatisiert, indem sie alle trotz sehr verschiedener Konditionen gemeinsam abseits in sogenannten “Sonderschulen” unterrichtet werden. Und Kindern, die keine Be_hinderung erfahren, wird eine vermeintliche Normalität ihrer Kondition vermittelt und damit eine Hierarchie zementiert. Wichtige Gelegenheiten, voneinander und miteinander zu lernen, spielen und zu sein, Emotionen zu teilen, werden bewusst vorenthalten. Die Ausstattungen, Kompetenzen und Gegebenheiten, wie sie heute hergestellt werden, um Schüler:innen, die Be_hinderung erleben, zu bilden und zu unterrichten, sollten zur Standard-Ausstattung jeder Schule werden. Barrierefreiheit muss selbstverständlich sein.

Digitalisierung und technologische Revolution sind eine Realität, mit der auch Schüler:innen umgehen müssen. Hierfür müssen die heutigen Generationen gut vorbereitet werden. Nicht im Sinne des “Mitlaufens”, sondern dafür, in diese Entwicklung eingreifen zu können und sich agency, Gestaltungsspielraum und Entscheidungsmacht zu erhalten. Die Arbeitsmärkte der Zukunft, die sozialen Ordnungen der Zukunft und die Vorstellung von Menschsein und vom Wesen des menschlichen - all dies kann massiv umgewälzt werden durch die technologische Revolution, an deren Anfang wir stehen und die zurück zu drehen, ein mögliches, aber sehr schwieriges Szenario ist. Das wahrscheinlichere Szenario, das gestaltet werden sollte, ist diese Revolution zu gestalten und der Entwicklung nicht hinterher zu laufen.

Problematik des dreigliedrigen Schulsystems

In Deutschland werden in fast allen Bundesländern Schülerinnen und Schüler nach dem 4. Schuljahr auf unterschiedlich aussichtsreiche Bildungsgänge und hierarchisch gegliederte Schulformen verteilt werden (in Berlin und Brandenburg nach dem 6. Schuljahr; in Mecklenburg-Vorpommern bilden die Klassen 5 und 6 eine „schulartenunabhängige Orientierungsstufe“). Dies ist im weltweiten Vergleich nahezu singulär (von allen bei PISA teilnehmenden OECD Staaten wird nur in Österreich und in einigen Kantonen der Schweiz genauso früh selektiert). In den meisten Bildungssystemen reicht die gemeinsame Schulzeit bis zum 8. Schuljahr, oft auch bis zum Ende der Pflichtschulzeit. Im Vergleich wird in den meisten englischen und skandinavischen Bildungssystemen, so auch in Island erst nach dem 10 Jahrgang (15/16. Lebensjahr) differenziert. Im internationalen Vergleich (Vgl. Island) selektiert das deutsche Schulsystem sehr früh und ist mit den unterschiedlichen und hierarchisch aufgebauten Schulformen sehr komplex und unübersichtlich. Die Transition stellt einschneidende Momente in Bildungsbiographien her, es findet Selektion statt und eine Hierarchisierung der Schulformen bleibt den Schüler:innen nicht verborgen. Es ist belegt, dass Herkunft, Sprache, Position und Identität allgemein die Empfehlungen beeinflussen und dass diesen Empfehlungen überwiegend gefolgt wird (nur selten wird hier erfolgreich eingegriffen von Erziehungsberechtigten). Hier werden Weichen gestellt. Studien zeigen, dass Schulwechsel zwar möglich sind, jedoch selten stattfinden und wenn sie stattfinden, dann eher nach unten als nach oben. Die Durchlässigkeit des Bildungssystems ist nur formal gegeben, sie ist keine Realität. Kinder und Jugendliche werden stattdessen mit einer hierarchisch-gesellschaftlichen (Differenz-) Ordnung und der ihnen zugeschriebenen Position innerhalb dieser Ordnung bekannt und vertraut gemacht. Wir fordern daher die Abschaffung des 3gliedrigen Schulsystems, da die frühe Selektion auf unterschiedliche, hierarchisch aufgebaute Schulformen eine wesentliche Rolle bei der Reproduktion von sozialer Ungleichheit spielt.

Derzeit zeichnet sich ab, dass die institutionellen Strukturen, Logiken etc. eher darauf ausgerichtet sind, dass die Schüler:innen sich an diese anzupassen haben. Dies bestätigt und festigt sozialer Ungleichheiten beständig, was fatal ist. An dieser Stelle möchten wir betonen, dass das System sich an die Schüler*innen und ihren Bedürfnissen anzupassen hat.

Damit einher geht auch das Infragestellen von Benotungssystemen. Diese sollten bald abgeschafft werden und durch Formen der Rückmeldung ersetzt werden, die nicht hierarchisierend wirken und die ausdifferenziert sind und die immer wertschätzend bleiben.

Die Vermittlung von Wissen ist im Bildungs-Kanon nicht Selbstzweck, sondern ein Vehikel, eine mögliches Element, um Bildungsziele zu erreichen aber sie darf nicht das einzige sein.

Das aktuelle Bildungssystem ist nicht dem eigentlichen Lernen gewidmet und der Entfaltung der Persönlichkeit, sondern der Kanalisierung von Arbeitskraft in den Arbeitsmarkt, und zwar möglichst so, dass Angebot und Nachfrage zusammenpassen. Es ist bspw nicht erwünscht, dass sämtliche Schüler:innen an Universitäten studieren, weil sonst nicht-akademische Segmente des Arbeitsmarktes keinen Nachwuchs bekommen. Dies ist über Zugangsbarrieren organisiert, deren Sinn oder Sinnlosigkeit unbedingt überprüft und neu bewertet werden müssen.

Bereitstellung von und Zugang zu Wissen und Lernangeboten wird leichter, die Grenzkosten von Bildungsangeboten im digitalen Bereich sind null – Angebote werden künstlich verknappt, um Lernende davon fernzuhalten. Die „Produktion“ von Arbeitskraft für das kapitalistische System durch das Bildungssystem ist ein Auslaufmodell (Stichwort Universelles Grundeinkommen)

Wir gehen davon aus, dass Lernen eine lebenslange Angelegenheit sein und bleiben wird und dass lehrende bzw. begleitende Berufe, Trainer:innen-Berufe, betreuende Berufe, Zwischenmenschlichkeit erhaltende Berufe sehr viel nachgefragter und allgegenwärtiger sein werden und auch werden sollten. Da wird ein neues Segment von Arbeit/Beschäftigung entstehen, dass heutzutage auch schon existiert, aber im Schulalltag noch zu den Ausnahmen gehört, die dann bis dato Projekttage heißen oder in AGs stattfinden, deren Kapazitäten nur für einen Bruchteil der Schüler:innen reichen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Der Ort Schule, der aktuell in der Zeit von ca 8 Uhr bis ca 16 Uhr genutzt wird und dann den Rest des Tages überwiegend leersteht, sollte als Ort des Miteinander und Voneinander Lernens fast durchgehend geöffnet sein.

Wir gehen in der Zukunft von deutlich kleineren Klassen aus sowie von einer Veränderung der Zeitcluster und Auflösung der Fächerstruktur. Lernen muss intuitiver werden, Raum für themenübergreifende, interdisziplinäre, assoziative und kognitive Verbindungen müssen geschaffen werden. Globale Zusammenhänge und historische Zusammenhänge müssen vermittelt werden und die Verortungen darin müssen ermöglicht werden. Die Methodik und Didaktik soll weg von Frontalunterricht und muss personell das binnendifferenzierte Lernen ermöglichen. Es braucht selbstverständliche Angebote für Übersetzung und wir fordern, dass jedes Gebäude, in dem Bildung stattfindet barrierefrei ist bzw wird. Für die Gewährleistung von Barrierefreiheit muss noch viel geforscht und entwickelt werden (siehe Forschung & Wirtschaft) und es darf keine Frage der Budgets sein, ob Barrierefreiheit in der Bildung realisiert wird. Sie muss umgehend gewährleistet werden. Finanziell und personell und mit den nötigen Kompetenzen,

Die Fächer, die heute Schule dominieren, werden in Zukunft nicht irrelevant sein. Aber sie werden standardmäßig mit emotionalem Lernen verknüpft (mit künstlerischer und kultureller Praxis) und mit praktischer Anwendung und Alltagspraxis verknüpft, mit gemeinschaftlichem Handeln und mit der Erfahrung der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.

Bildung und Bildungsziele und Systeme sind im globalen Vergleich sehr unterschiedlich und unterschiedliche Personen oder Gruppen haben sehr verschiedene Perspektiven auf die Inhalte. Diese Vielfalt wird nicht berücksichtigt. Lernende sollten im Lernprozess gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, diesen Lernprozess zu reflektieren, ins Verhältnis zu setzen und zu analysieren. Der Bildungsbereich sollte daher gemeinsame transkontinentale Klassen/Kurse/Seminare als regelmäßige Elemente des Lernens beinhalten. Alle Inhalte werden dadurch noch mal emotional erfahrbar und stellen ein Bewusstsein her dafür, das Kontext und Umgebung wichtig sind. An dieser Stelle kann auch das Bewusstsein dafür angelegt werden, dass wir eben eine globale Community sind, deren Einteilung in Länder und Nationalitäten künstlich ist.

Das Lernen von Gebärdensprachen aller Schüler:innen bereits spielerisch vor der Schule und regulär im Bildungssystem ermöglicht die Kommunikation von Menschen, die sprechen, und zwar von allen – untereinander und mit all jenen, die es nicht tun. Damit sollte spielerisch schon im Kindergarten begonnen werden. Auch die Braille-Schrift sollten alle standardmäßig lernen. Gebärdensprache als offizielle Sprache kann sich derart etablieren, dass sie sozusagen muttersprachlich erlernt wird.

Die Bedeutung von Sprache als bewusstseinsbildendes Element von Gesellschaft, als etwas, was ständig in Bewegung, in Entwicklung und in Veränderung ist, sollte auch als solches gewürdigt werden und die Zugänge zu Sprache und wie sie gelehrt wird, spiegelt nicht ihre Tiefe und ihr Potential. Es braucht eine Kommission für die Zukunft von Sprache und ihres Erwerbs, auch für Mehrsprachlichkeit, in der Sprache nicht nur als mechanisches Scharnier zwischen Individuen verschiedener Sprachräume gesehen wird.

Der spielerische und künstlerische Umgang mit Sprache kann bereits etabliert werden, bevor Kinder lesen und schreiben lernen – und auch für die Zukunft des Lesens und Schreibens braucht es sehr akut eine Kommission, die auch diese zwei Pfeiler von Kommunikation analysiert und darin ggfs Mehrwerte ausmacht, die jenseits von der bloßen Funktion liegen und wodurch Lesen und Schreiben neu bewertet wird im Bildungskontext. Die Rolle von Handschrift und von Rechtschreibung, von Lautschrift und von kreativen Sprach- und Schrift-Schöpfungen muss neu bewertet werden.

Medienkompetenz als Fach muss viel mehr und früher Raum bekommen. Gleichzeitig kann Bildungsraum auch Gelegenheiten schaffen für analoge Zeit ohne Technik, ohne Input, ohne Reize, ohne Anregung, ohne Impulse von außen.

Schulgärten sollen eine Selbstverständlichkeit sein und nicht eine Beschäftigung für AGs, sondern ganz elementarer Teil von Lernen. Schulen können so in Kiezen für urbanes Gardening verantwortlich sein, Räume im öffentlichen Raum dafür nutzen und Schüler:innen die Verwendung selber bestimmen. Die Erträge und auch die Verteilung und Verwaltung der Erträge sollte auch in die Obhut von Schüler:innen gelegt werden.

Handwerkliche Techniken sollten auch regelmäßiger Teil von Bildung sein.

Meditation bzw. Stillezeit sollte fester Bestandteil von Lernen und Tagesablauf sein in Lernräumen, um Selbstwahrnehmung zu fördern und Raum für Reflektion und nach-innen-Schauen.

HipHop Kultur als emanzipatorische Kultur und in ihrer Bedeutung als machtkritische, dekoloniale, rassismuskritische Identifikationsplattform, die alle Beiträge begrüßt, einordnet und machtkritisch würdigt und die alle Beiträge integrieren kann, soll regelmäßiger Teil des Curriculums sein als Angebot an die Lernenden, eigenes darin zum Ausdruck zu bringen, aber auch um so einen praktisch-kulturellen Zugang zu Erinnerungskultur und zur Relevanz von Geschichte für die Gegenwart zu bekommen.

Dabei sehen wir HipHop Kultur hier als Platzhalter für Schwarze Kulturproduktion allgemein, weil Schwarze Kulturproduktion nicht nur HipHop ist, aber jede Schwarze Kulturproduktion innerhalb von HipHop einen Platz hat und Ausdruck findet. Viele Fragen zu unserer kollektiven globalen Geschichte, zu Deutungshoheit, zu Eurozentrismus, zu Identität, zu Dominanz, zu Macht und zu Unterdrückung, zu Sprache und zu Persönlichkeit entwickeln sich in dem Rahmen selbstverständlich aus der Praxis der Kultur heraus, in der kritischen Auseinandersetzung damit und in den Gesprächen darüber.

Sport und/oder körperliche Betätigung machen im zukünftigen Lernen einen großen Teil der Zeit aus. Innerhalb welcher Lehr- und Lernbereiche das stattfindet, kann sehr unterschiedlich sein, da interdisziplinäres und emotionales und Praxis-bezogenes Lernen mit körperlicher Wahrnehmung und Bewegung kombiniert werden kann. Hierfür braucht es ganz neue Konzepte und Ideen. Vor allem ist Bewegung und bewegt werden – unabhängig davon wie viele Teile des Körpers bewegt werden (können) und von wem, Teil von Leben und Überleben und Symbol dafür. Sportunterricht ist für viele Schüler:innen traumatisierend, Körpernormen werden etabliert, körperliche Fähigkeiten werden hierarchisiert. Darüber findet keine Reflektion statt. Teambildung für Teamsport muss nach Zufallsprinzip verlaufen, nicht nach Präferenzen einer Person. Es sollen von Schüler:innen neue Sportarten entwickelt werden, in denen vielfältige Fähigkeiten außer Athletik relevant sind. Das Vorführen einzelner Schüler:innen durch Vorturnen muss absolut freiwillig passieren.

Praktische Aspekte des Alltags kommen im heutigen Lern-Alltag nur als Beispiele in Textaufgaben vor und erzeugen auch dadurch oft Narrative darüber, was ein “normaler” Alltag ist, was dazu gehört, wer dazu gehört, etc… Gespräche zu führen, gewaltfreie Kommunikation, machtkritische Bildung für Kinder und Jugendliche sollten regelmäßige Lerninhalte sein. Handwerkliche Kenntnisse werden meistens in AGs vermittelt, dabei ist gerade handwerkliches die beste Praxis, um mathematisches und physikalisches Lernen zu ermöglichen. Gartenarbeit, Pflanzen, Beete, Nahrung und Ernährung sollten auch regelmäßiger Teil des Lernens sein und auch da bieten sich Anlässe, interdisziplinär zu Biologie und Geographie zu lernen und praktisch zu lernen, aber auch sich selbst im Verhältnis zu Umwelt und Natur zu begreifen. Grünflächen in der Umgebung von Lernorten sollten zu 10% für Urban Gardening zur Verfügung stehen, für das die Kinder und Jugendlichen der Nachbarschaften zuständig sind, die sie pflegen und von denen sie auch ernten und das Geerntete verwenden oder verteilen. Dieser Bereich ist bspw auch geeignet, einen intergenerationalen Austausch mit alten Menschen in der Umgebung der Lernorte regelmäßig zu etablieren, in dem die Kinder und Jugendlichen das Pflanzen und Ernten - natürlich unter Aufsicht und Anleitung -  zusammen mit alten Menschen durchführen und von deren Kenntnissen profitieren. Die Erträge können auch den alten Menschen zugute kommen, die über kleinere finanzielle Mittel verfügen. Auch zu praktischen Aspekten des Alltags gehört es, sich zurechtzufinden in einer Umgebung und sich auch mit möglichen Gefahren zu beschäftigen. Lernen, was giftig ist, lernen mit Feuer umzugehen, mit Verletzungen. Auch die Bildung zu Substanzen und ihren Wirkungen, ihre Geschichte und damit einhergehend Suchtprävention muss regelmäßiger Teil von Lernen sein.

Genau wie auch pflegende und betreuende Berufe, werden auch lehrende Berufe deutlich aufgewertet. Nicht nur was die Einkommen von Lehrenden betrifft. Auch ihre Beiträge zur Entwicklung hin zu einer globalen, solidarischen, barrierefreien und gerechten Community sind unschätzbar wichtig und das sollte sich auch in den Gehältern abbilden.

Für die „Schule“, oder wie auch immer die zukünftigen Orte des miteinander Lernens heißen werden, gilt, was für alle Bereiche gilt, im öffentlichen Bereich, in den demokratischen Institutionen, in der Privatwirtschaft: Repräsentation und Vertretung! Vertretung von intersektionalen Perspektiven – sowohl unter den Lernenden, als auch unter den Lehrenden. Dafür haben die Schulen mit ihrer Einstellungspolitik zu sorgen. Und dafür muss auch die Lernendenschaft intersektional multiperspektivisch strukturiert werden. Es sollen Instrumente entwickelt werden, die die soziale und sich damit überschneidende und oft rassistische und ableistische Segregation von Schulen unmöglich machen. Dies geht einher mit Wohn(ungs)politik (siehe Wohnen), um sukzessive auch die Bewohnung von Kiezen und Nachbarschaften immer intersektional multiperspektivischer zu machen.

Für Kollegien müssen eine BIPOC-Quote und FLINTA*-Quote, eine Quote für Menschen, die von der Gesellschaft behindert werden und für LGBTQIA+ entwickelt werden. Die Daten, die dafür herangezogen werden, müssen dezentral und anonymisiert erfasst werden. Die Art und Weise der Erhebung ist – gerade im deutschen Kontext der Shoa – ein sehr belastetes Thema und darf aber deswegen nicht übergangen werden. Ein Vorschlag lautet, die Erhebung bei den Communities und den Selbstorganisationen anzusiedeln.

Literatur und Forschung und Berichte zu historischen Ereignissen und Entwicklungen aber auch zu politischer Erneuerung, afrozentrische Perspektiven, dekoloniale Schriften und Literatur und Expertisen müssen in möglichst alle Sprachen übersetzt werden. Hierfür müssen Förderungen eingerichtet werden, damit diese relevanten Texte allen allgemein, regelmäßig und selbstverständlich zugänglich werden. Die Schulmaterialien, Textgrundlagen, Schulliteratur müssen nach intersektional dekolonialen, machtkritischen, diskriminierungskritischen Kriterien ausgewählt und angewendet werden.

Für nachhaltige Veränderung muss auch an der Ausbildung von Lehrenden, Begleitenden, Betreuenden, Erziehenden angesetzt werden. Diskriminierungskritische Sensibilisierung und Lehre, dekoloniale, machtkritische und rassismuskritische Sensibilisierung und Lehre und barrierefreie Lehre und ableismuskritische Sensibilisierung müssen zu zentralen Elementen von Lehrenden-Ausbildungen werden und die Sensibilisierungsprozesse müssen regelmäßig und praxisbegleitend verpflichtend immer wieder angestoßen und erneuert werden. Auch Supervisionen müssen diese Ebenen standardmäßig berücksichtigen.

Zusammenfassend zeigt die Bildungs- und Schulforschung, dass man vieles in der Schule lernen und erfahren kann, was zur demokratischen Bildung beiträgt. Sie zeigt aber auch, dass man gerade in der Schule auch vieles erfahren und lernen kann, was sich zur demokratischen Bildung geradezu kontraproduktiv verhält: Repression, Ausgrenzung, Intransparenz, unkontrollierte und asymmetrische Macht, Mobbing, Gewalt und soziale Vereinsamung – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Sie [die Schule] beeinflusst erheblich die Verteilung gesellschaftlichen Wohlstands und reguliert Lebenschancen, idealerweise unter dem Aspekt von Angemessenheit und Gerechtigkeit – und in Widerspruch zu dieser Ideal-Funktion für die moderne Gesellschaft ist sie bekanntermaßen zugleich bis heute sozial in hohem Maße ungerecht. Die Schule ist als also in der Summe als Ort demokratischer Bildung ein sehr ambivalentes Konstrukt. Um in ihr Demokratie lernen und erfahren zu können, muss sie deshalb demokratisch zivilisiert, durch demokratiepädagogische Aufklärung und entsprechende pädagogische Erweiterung demokratisch kultiviert werden – sie braucht ‚demokratische‘ Schulkultur".

Demokratie ist außerdem immer noch ein Modell, das unerreicht ist, dem wir uns weiter annähern müssen. Schule leistet leider dafür nur sehr mangelhaft etwas.

Wie gründe ich eine Partei? Wie organisiere ich eine Demonstration, wie funktioniert das Wahlsystem, wie ist Wählen organisiert? Wer darf wählen und warum und wer nicht und warum? Welche anderen Formen der demokratischen politischen Einmischung und Gestaltung gibt es? Was für Abstimmungsmodelle gibt es und wie verhalten sie sich zu Demokratie? Welche Demokratie-Verständnisse gibt es? Wo finden sich Kinder bzw Schüler:innen in diesen Systemen wieder? Welche Ideen haben sie selber? Wie kann all dies so vermittelt werden, dass Schüler:innen es nicht als lästige Berieselung empfinden, sondern zu Partizipation ermächtigt, befähigt und eingeladen sind?

Für die freie Wahl aus Bildungsangeboten kann neben einem BGE auch ein Bildungskonto eingerichtet werden für jedes Kind bzw jede Person, da auch durch die neueren Entwicklungen absehbar ist, dass sich auch Menschen, die bereits im Beruf stehen, werden neu orientieren müssen. Die Höhe/Ausstattung der Bildungskonten sollten umgekehrt proportional zum Wohlstand sein, es ist auch denkbar eine eigene Bildungswährung einzuführen, die parallel notwendig ist, um Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Kurz- und mittelfristige Forderungen, die innerhalb einer Legislaturperiode umgesetzt sein müssen, sind:

* Einführung eines Bildungskontos

* Grundlegende Reform und Umstrukturierung des Schul- und Bildungssystems:

* Barrierefreiheit in allen Schulgebäuden- und Räumen- und Anlagen und Abschaffung der Trennung von Kindern mit Be_hinderungen von Kindern ohne Be_hinderungen.

* Abschaffung des 3gliedrigen Schulsystems, da die frühe Selektion auf unterschiedliche, hierarchisch aufgebaute Schulformen eine wesentliche Rolle bei der Reproduktion von sozialer Ungleichheit spielt.

* Kleinere Klassengruppen sowie Veränderung der Zeitcluster und Auflösung Fächerstruktur Verbindungen schaffen, Globale zusammenhänge, historische Zusammenhänge weg von Frontalunterricht, binnendifferenzierter Unterricht

* Abschaffung von Benotungssystem => und wertschätzende Umgang / Feedback Rückmeldung

* Curriculare Verankerung einer diversitätsorientierten Lehrerinnen(aus-)bildung

* Umsetzung diversitätsorientierter Lehrerinnen(aus-)bildung, die (rassismus-) theoretische Wissensvermittlung und Reflexivität umfasst.

* Ausbau von integrierten Gesamtschulen

* Multifunktionale Räume

* Rassismuskritische Lehrerinnenbildung: Ausbau von diskriminierungskritischer und diversitätsorientierter Professionalisierung von Lehrerinnen, die eine theorieangeleitete u. rassismuskritische Reflexion umfasst

* Rassismuskritische und diversitätsorientiert Schulentwicklungsprozesse:

* Abbau von ausgrenzenden institutionellen Barrieren Praktiken und Schulroutinen

* Personalentwicklung: Fortbildung und Reflexionsräume für Kompetenzerweiterung und (Selbst-)Reflexion im Bereich Inklusion und Umgang mit Diversität bzw. Heterogenität

* Prüfung und Überarbeitung von Material auf rassismusrelevante Inhalte, Einsatz diversitätsorientierter Materialen

* Mediation/Supervision/Fallbesprechungen

* Ausbau multiprofessionelle Teams / Schulsozialarbeit u. Schulpädagogik

* Ausbau der Ganztagesschulen

Kinder und Jugendliche sollten empowert werden, dass ihr Körper allein ihnen gehört und dass niemand sie zu berühren hat, wenn sie es nicht möchten. In privaten Umfeldern finden Gespräche zu Körper, Geschlecht und Sexualität meist unter dem Vorzeichen der Heteronormativität und dem Schwerpunkt der männlichen Befriedigung statt. Es wird sich nicht oder nur unzureichend mit Konsens, Körperautonomie, dem weiblichen Sexualerleben und der weiblichen Anatomie, dem großen Spektrum von Sexualität, Selbstwert, Neinsagen/ Ablehnung, “girls don’t need to be nice”, Selbstverteidigung, Menstruation, der unrealistischen Darstellung von Sex durch Pornos, sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung, der Normalisierung von Einschreiten gegen sexuelle Gewalt, toxischer Männlichkeit, toxischer Weiblichkeit, den Mythen Jungfernhäutchen und Jungfräulichkeit, Slutshaming, der Vielfalt an Verhütungsmitteln, Kinderwunsch und dem nicht-Vorhandensein desselbigen, Abtreibung und Sterilisation beschäftigt.

Sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Gesundheit sollte regelmäßig Teil von Bildung sein. Im Mittelpunkt jedes öffentlichen Diskurses über Sexualität müssen Körperautonomie und Konsens stehen. Nur sexuelle Handlungen, die mit eindeutigem Konsens (= aktive Zustimmung) und vorausgesetzter Autonomie über den eigenen Körper, aller Beteiligten ausgeübt werden, stellen keine Übergriffe, sexuelle Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung dar. Auch wenn primär Eltern die Erziehungsaufgabe innehaben, so ist es sinnvoll, außenstehende Expert:innen mit der Aufgabe zu betrauen, Kindern und Jugendlichen fundiertes Wissen zu Körper, Geschlecht und Sexualität beizubringen. Sie sollten fundiertes Wissen für die Zeit erhalten, in der sie sexuell aktiv werden möchten. Auch sollte altersgerecht über sexualisierte Gewalt gesprochen werden und Wissen vermittelt werden, welche Möglichkeiten es für Opfer sexualisierter Gewalt gibt.

Ein weiterer Effekt solcher Sexualkundekurse kann sein, dass sich Opfer sexueller Gewalt entweder aktiv oder passiv zu erkennen geben. So kann diesen Kindern Hilfe angeboten werden und ggf der Missbrauch, welcher meist im nächsten Opferumfeld stattfindet, ergründet und unterbunden werden. Den Opfern kann eine kundige Fachperson an die Hand gegeben werden; dies ist enorm wichtig, um weitere und Spätfolgen zu verhindern und um zu verhindern, dass sich das Trauma/ die Traumata in komplexe traumatische Störungen oder Post- traumatische Belastungsstörungen ausweiten.