Klimagerechtigkeit und Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit

Der Klimanotstand muss historisch betrachtet werden. Sichtbar machen, dass es zum mit Abstand größten Teil weiße Mehrheitsgesellschaften sind, die entlang kolonialer Dominanzverhältnisse in extremen Ausmaß Ressourcen und Energie verbrauchen und konsumieren. Vor allem durch dieses koloniale (kapitalistisch-rassistische) Dominanzverhältnis ist die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die untragbare Überlastung oder Zerstörung der Lebensgrundlagen vor allem in den nicht-weißen Mehrheitsgesellschaften überhaupt erst möglich. Weiße Mehrheitsgesellschaften nehmen ohne nennenswerten Widerstand in Kauf, dass Menschen in nicht-weißen Mehrheitsgesellschaften die Existenzgrundlagen entzogen werden und selbstverständliche menschenrechtlich garantierte Lebensstandards nicht gewährleistet sind. Das ist Komplizenschaft, das ist Rassismus. Die Gleichgültigkeit demgegenüber ist rassistisch. Klimapolitik, die nicht dort ansetzt, reproduziert diesen Rassismus.

Klimaschutz darf nicht die Verantwortung auf das Individuum abwälzen! Aber Shaming von einzelnen Personen oder Gruppen – vor allem entlang von intersektionalen klassistisch-rassistisch-patriarchalen Machtverhältnissen - deren Konsum, Gewohnheiten und Verhalten nicht offensichtlich oder vordergründig klimabewusst sind bzw. ökologisch wertvoll erscheinen, lehnen wir ab. Wir begrüßen jedes umweltbewusste Verhalten und den nachhaltigen Konsum Einzelner und ein ökologisch bewusster Lebensstil ist positiv zu bewerten. Aber die Selbstdisziplinierung zu ökologischer Bewusstheit im eigenen Alltag, entbindet nicht von der Komplizenschaft im kolonialen System, das per Definition klimaschädlich ist, und zwar in einem Ausmaß, dem nur strukturell politisch abgeholfen werden kann.

Es muss sehr deutlich gesagt werden und auch gelehrt, verstanden und umgesetzt werden: antikoloniale Politik ist Klimaschutz! Freitag ist jetzt!

Gleich vorweg: Eine Klimadebatte zu führen, die sich um die Zukunft dreht, ist von vornherein nicht zielführend und vor allem weder macht-, noch rassismuskritisch. Warum diese Themen unmittelbar zusammengehören, zeigt der Umgang mit dem Klimanotstand in der europäischen und deutschen Öffentlichkeit.

Eine eurozentristische Perspektive auf die zukünftigen Folgen des Klimanotstandes ist ignorant und gefährlich, denn sie klammert aus, dass diese Folgen im globalen Süden längst Realität sind. Das bedeutet nicht, dass wir Bewegungen wie dem Fridays For Future Movement nicht wohlgesonnen sind, es zeigt aber schon im Namen auf, dass es hier um eine europäisch/westliche Perspektive geht, die nicht sichtbar macht, was tatsächlich schon jetzt geschieht. Wir unterstützen die Maßnahmen, die von FFF oder der Partei radikal:klima gefordert werden zu 100%. Aber wir können da nicht stehen bleiben.

Fridays For Future fordern: Nettonull für den CO2-Ausstoß bis 2035 erreichen; Kohleausstieg bis 2030; 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035; Das Ende der Subventionen für fossile Energieträger; 1/4 der Kohlekraft abschalten; Eine CO2-Steuer auf alle Treibhausgasemissionen. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss schnell so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut UBA sind das 180€ pro Tonne CO2; Einhaltung des 1,5°-Ziels (maximum) der Erderwärmung.

Das ist gut, aber noch nicht gut genug. Wir wissen, dass wir von Entscheidungen sprechen, die gefällt werden müssen und können. Dem steht nichts im Weg, außer Einstellungen, Haltungen, die Systeme Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus. Daher müssen die Forderungen radikal sein und dürfen den Kompromiss und den Widerstand der hegemonialen wirtschaftlichen Interessen nicht vorwegnehmen in vorauseilendem Gehorsam.

Für die Nettonull muss ein 4-Jahresplan - eine Legislaturperiode - ausreichen. Der Kohleausstieg muss ebenfalls innerhalb der kommenden Legislaturperiode vollzogen sein. Die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien muss durch die Umstellung von Rüstungsbetrieben in Produktionen für Windkraft- und Solaranlagen etc., aktiv beschleunigt werden und es muss ein Gesetz erlassen werden, dass alle umweltschädigende Formen der Energieversorgung verbietet. Dieses Gesetz muss immense Geldstrafen vorsehen, wenn es verletzt wird. Die Subventionierung fossiler Energieträger muss sofort und komplett eingestellt werden. Gleichzeitig kann auf Kohlekraft auch innerhalb der kommenden Legislaturperiode verzichtet werden.

CO2-Ausstoß-Kontingente zu schaffen bzw eine Steuer pro Tonne zu erheben, finden wir gut, möchten aber dem historischen Anteil Deutschlands an der Erderwärmung kalkulieren und möchten daher erstens eine höhere Abgabe festlegen i.H.v. 300€/Tonne und auch die Verwendung des Anteils von 180€ in die Förderung regenerativer Energie lenken und den Anteil von 120€/Tonne in einen antikolonialen Reparationsfonds lenken.

Die Klimakrise muss als globales Phänomen erkannt und benannt werden, insbesondere in Bezug auf die Verantwortung und die Rolle, die insbesondere europäische Staaten innehaben. Hunderte Millionen Tonnen Müll, die in Europa jährlich produziert werden, landen in asiatischen und afrikanischen Staaten Jahr für Jahr. Nachhaltigkeit ist zum Marketingbegriff für Greenwashing geworden, um Statistiken zu beschönigen. Nach wie vor produzieren Konzerne, teils staatlich subventioniert ertragreich und damit kostengünstig in Ländern, die sich durch verschiedene Handelsabkommen in eine Abhängigkeit begeben mussten.

Der in Europa produzierte Überschuss wird zu Dumpingpreisen auf dem afrikanischen Kontinent und in Asien verkauft und zerstört nachweislich die Binnenmärkte. Eine unmittelbare Folge etablierter kolonialer Strukturen, die uns tagtäglich im Alltag begegnen, und das nicht nur in Namen etablierter Discounter wie Edeka (Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler).

Unser Konsum, sogar noch vereinfachter gesagt: “Unser täglich Brot” ist schon eine politische Angelegenheit, die wir uns bewusst machen sollten. Hier bekommt die Floskel “Über den Tellerrand schauen” eine durchaus legitime Metaebene.   

Wir müssen das Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise stärken, insbesondere aber nicht ausschließlich in Bezug auf das Konsumverhalten. Machtkritik ist dabei auch ein Thema, dass in der Debatte nicht ausreichend thematisiert wird: Stichwort Klasse (Wer kann sich leisten, nachhaltig zu konsumieren) und Stichwort Lobbyismus.

Die Gesundheit der Menschen darf nicht von der stärksten Lobby abhängig sein. Dies beginnt schon bei der Frage, warum bspw. die Photovoltaik-Branche quasi über Nacht 80.000 Arbeitsplätze verloren hat, weil Subventionierungen wegbrechen, aber auf der anderen Seite der Kohleausstieg wegen der Gefährdung von 30.000 Arbeitsplätzen über Jahrzehnte hinweg geplant oder eher verschleppt werden kann? Es ist einzig die Frage: Wer hat die stärkste Lobby?

Lösungswege sind allerdings nicht nur bekannt, sondern auch eine Umsetzung schon beschlossen. Jedoch bisher eher als richtungsweisende Leitfäden, wenn wir böse wären, würden wir von Symbolpolitik sprechen.

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung [(SDGs) englisch: Sustainable Development Goals]1 als politische Zielsetzung der Vereinten Nationen, traten bereits am 01. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren, mit dem Umsetzungsziel bis 2030, in Kraft. Inhalt ist die Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung nach ökonomischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten.

Schon jetzt ist klar, dass das Erreichen der Ziele nicht nur unmöglich ist, sondern insbesondere Deutschland die ohnehin zu gering wirksamen Maßnahmen noch einmal eingeschränkt hat und dadurch die gesetzten Ziele nicht erreichen wird.

In den SDG (siehe Dekolonialisierung) fehlt allerdings das Basis-Ziel. Es fehlt eine dekoloniale Perspektive. Wir fordern, koloniale Kontinuitäten zu demontieren und das rassistische System zu benennen und zu beseitigen. Darauf aufbauend können wir Forderungen ableiten, die den Kapitalismus als globales Problem und als unvereinbar mit nachhaltigem Leben begreifbar machen und in seinen Wurzeln aushebeln, um neue Strukturen zu etablieren.

Die Handelsabkommen mit den ehemaligen Kolonialstaaten reichen bis in die aktuellen Verträge hinein und wirken sich bis heute nachteilig auf die Länder aus. Und die EU betreibt eine aggressive Freihandelspolitik mit den sogenannten AKP-Staaten, um die weitere Öffnung dieser Absatzmärkte zu erzwingen. Dabei wirken Abhängigkeiten der afrikanischen, karibischen und pazifischen Länder von Weltbank- und IWF-Mitteln und die Vergabe von deutscher Entwicklungshilfe (neuerdings euphemistisch wirtschaftliche Zusammenarbeit genannt) als Druckmittel und Verhandlungsmasse. Auf dieser Grundlage ist das gesamte System von grund auf schon im Ansatz falsch aufgesetzt. Reparationen und ein Ökozid-Gesetz, das zu realistischen Entschädigungen auch für ökologische Schäden verpflichtet, können Ausgleich schaffen, um Regeneration zu fördern.

Nachhaltiges Konsumverhalten gilt es zu fördern und innovative, umweltschonende und gesundheitsfördernde Maßnahmen zu unterstützen. Insbesondere betrifft dies die Bereiche Verpackungsmaterialien und die damit verbundene Abfallproduktion. Nicht nur die Industrie muss hier in die Pflicht genommen werden, um Abfall zu reduzieren und nachhaltiger zu produzieren, auch die Bürger:innen sollten die Verantwortung erkennen, die Nachfrage und somit den Markt mitzugestalten - und vor allem von staatlicher Seite verstärkt gegen Wirtschaftslobbyismus vorzugehen.

Ein reglementierter Umgang mit Lebensmitteln wie bspw. Supermarktketten zu untersagen, nicht verkaufte Nahrungsmittel im Müll zu entsorgen, muss weltweit zur Pflicht werden.

In Deutschland landen jährlich ca. elf Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll – das entspricht ungefähr einem Wert von 25 Milliarden Euro. Es gilt Modellversuche wie Supermärkte, die Nahrungsmittel ohne Verpackungen anbieten - bereits in Deutschland existent - zu stärken und zu fördern, um Verpackungen und Plastikmüll zu vermeiden.

Neben moralisch kaum haltbaren Argumenten, ist besonders die Massentierhaltung maßgeblich für viele ökologische, soziale und ökonomische Probleme verantwortlich.

Die Entwicklung von Krankheiten durch multiresistente Keime – da die Massentierhaltung für den inflationären Gebrauch von Antibiotika verantwortlich ist.

Weltweit werden 60-70 Milliarden Tiere zur Fleischproduktion getötet, der Verbrauch an Nahrungsmitteln für die Tierzucht erfordert Weideflächen, den Anbau von Monokulturen zur Futtergewinnung, ein enormes Trinkwasser-Kontingent und ist maßgeblich an der Rodung der klimatisch dringend notwendigen Regenwälder verantwortlich. Über 90% des weltweiten Soja-Anbaus geht ausschließlich in die Massentierhaltung.

Der hohe Konsum von tierischen Produkten steht nach diversen offiziellen Studien im Verdacht Krebs und weitere Zivilisationskrankheiten auszulösen.

Die CO2 Emissionen der Massentierhaltung gelten als die wichtigsten Verursacher der globalen Erwärmung. Allein pro Kilo Rindfleisch werden umgerechnet 13,3 Kilo CO2 freigesetzt. Dazu kommt der CO2 Ausstoß durch die Verkehrswege, die das Futter für die Tiere zurücklegt und die Logistik bzgl. der getöteten Tiere.

Der Export billig produzierter Nahrungsmittel und Tierprodukte an wirtschaftlich abhängige Länder zerstört die dortigen Binnenmärkte und Infrastrukturen.

Wir fordern kurzfristig einen Stopp sämtlicher staatlicher Subventionierungen zugunsten der Massentierhaltung in Deutschland und Europa. Die vollständige Beendigung von Massentierhaltung ist unser erklärtes Ziel innerhalb der kommenden Legislaturperiode.

Hier würde eine Förderung regionaler und saisonaler Lebensmittel für den regionalen Gebrauch dabei helfen, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Aufklärung bzgl. der Auswirkungen und Missstände der Massentierhaltung zur Fleisch- und Milchproduktion ist unabdingbar, um ein Bewusstsein bei Konsument:innen zu entwickeln. Grundsätzlich sollte der maßlose Konsum tierischer Produkte auf ein, buchstäblich, gesundes Maß reduziert werden.

Ressourcenschonende, fleischarme, vegetarische oder vegane Ernährungs- und Lebensweisen sind zu bevorzugen und zu fördern - mit entsprechenden Aufklärungsmaßnahmen und Subventionierungen.   

Dazu zählen auch ein übergreifender Artenschutz und der vernünftige Umgang mit wildlebenden Tieren in Deutschland und ein generelles Verbot von (Wild-)Tieren im Zirkus und ein verantwortungsvoller Umgang mit Tieren in Zoos, Tierparks und bei und mit den sogenannten Haustieren.