Kultur im Kontext Bildung

Kultur im Sinne des (künstlerischen) Ausdrucks wird auch in den Kontext von Bildung gestellt, weil beides untrennbar miteinander gedacht werden muss.

Der Begriff Kultur ist historisch auch belastet und hat immer auch gedient, um ‚rassische‘ Ideologie und soziale Hierarchie zu legitimieren und zu definieren. Kultur’losigkeit‘ bzw. die Eigenschaft der ‚Kultiviertheit‘ als Gegenentwurf geht eng einher mit der Idee von ‚Primitivität‘ bzw ‚Zivilisation‘. Daher kann das Thema nur rassismuskritisch und machtkritisch entwickelt werden. Ob der Begriff erhalten bleiben kann, ist bereits eine valide Frage. Wir lassen ihn daher nur unter Vorbehalt stehen und arbeiten kritisch damit, um diese Konnotationen und Assoziationen sichtbar zu machen bzw. neue Konnotationen und Assoziationen herzustellen.

Wir argumentieren mit dem Ursprung und der Bedeutung der HipHop Kultur, als Ausdruck und Instrument von unten und vom Rand – in dem die oben erwähnten Konnotationen und Assoziationen aufgehoben und entkräftet sind. Gerade die Tatsache, dass die Kultur sich von einer Nachbarschaft in der Bronx, NY aus, mit - kulturhistorisch betrachtet - Rekordgeschwindigkeit über den Globus ausbreitete, muss Anlass geben, zu analysieren, was ihre besondere, inhärente Strahlkraft ausmacht. Diese Betrachtungen und Analysen finden in der Akademie schon länger statt und sollten auch im Kulturbetrieb gewürdigt werden und zur Umlenkung von Ressourcen führen.

Die Selbstrepräsentation, die Umsetzung mit gar keinen bis geringen Mitteln, die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Lebensrealitäten unter der Unterdrückung und am Rand, die zwangsläufig unkonventionellen Ausdrucksformen, die gemeinschaftliche Praxis der Ausübung der Kultur, die inklusive Haltung, die die Teilnahme an der Kultur unabhängig von Klasse, ‚Race‘, Geschlechtsidentität, körperlichen Fähigkeiten, Aussehen, Glaube, etc…. selbstverständlich ermöglicht und erlaubt und einlädt, sind Merkmale, die den wenigsten kulturellen Ausdrucksformen und Plattformen inhärent sind.

Diese Analyse soll nicht jede andere Kunstform oder künstlerische und kulturelle Praxis entwerten. Aber es sollte aus dieser Perspektive über deren Subtexte und Zugänglichkeit und über deren Entstehungsgeschichten viel mehr gesprochen, vermittelt und gelehrt werden. Kunst und Kultur müssen demokratisiert und dekolonisiert werden und künstlerische/kulturelle Praxis sollte ein selbstverständlicher Teil jeder Biographie werden (können). Die öffentliche Unterstützung und Finanzierung urbaner kultureller Praxis (urban im Sinne von Intersektionalität und Multiperspektivität) sollte den größten Anteil an der kulturellen Förderung ausmachen. Die Verzerrung von kulturellem Ausdruck durch die patriarchal-rassistisch-kapitalistische Vereinnahmung und Kommerzialisierung von Kunst und Kultur wirkt systemerhaltend und systemreproduzierend. Kunst und Kultur, die bestehende Systeme angreifen, entlarven und sichtbar machen, brauchen Raum, Mittel und Verstärkung. Insbesondere der Raum dafür muss zunehmend der öffentliche Raum werden, um auch alle zu erreichen. Flächen und Räume – auch private – sollten im Sinne der Verpflichtung von Eigentum der künstlerischen/kulturellen Praxis zugänglich gemacht werden können. Die finanzielle Förderung muss von Gremien bestimmt werden, die überwiegend zivilgesellschaftlich, intersektional und multiperspektivisch zusammengesetzt sind.

Vor allem der Konsum von Kunst und Kultur, die Interaktivität, die gemeinschaftliche Auseinandersetzung damit und die Zugänglichkeit dazu muss demokratisiert und barrierefrei gestaltet werden. Kunst und Kultur sind nicht als Luxusgut oder als „nice to have“ zu betrachten, sondern als integraler Bestandteil und Bedürfnis menschlichen Handelns. Viele gesellschaftliche Aushandlungs- und Sensibilisierungsprozesse (die auch in unserem Programm auf fast allen Ebenen gefordert werden) werden auch in der kulturellen, künstlerischen Praxis sichtbar und durch sie verstehbar und auf einer emotionalen Ebene (er)lernbar.

Und daraus folgt auch ein Rückschluss auf Bildung und Bildungspolitik: das vorrangig kognitive Lernen in Lehrsystemen soll abgelöst werden durch ein vorrangig emotionales Lernen – indem kulturelle/künstlerische Praxis eng verknüpft wird mit allen Lerninhalten.